Ein Kapitel für sich – der
Straßenverkehr im Iran. Wie an anderer Stelle erwähnt sind die
Iraner überwältigend freundliche und hilfsbereite Gastgeber, jedoch
nicht wenn sie in einem Auto oder auf einem Moped sitzen. Dann
mutiert der netteste Iraner zu Michael Schuhmacher. Mit dem Messer
zwischen den Zähnen wird Auto oder Moped gefahren. Jeder ist sich
selbst der Nächste und das Wort „Rücksicht“ ist aus dem
Wortschatz gestrichen.
Im Iran gibt es natürlich
Verkehrsregeln, die denen in Deutschland weitgehend gleichen. Das
Problem ist nur, dass sie nicht jeder zu kennen scheint, oder dass
sie schlichtweg ignoriert werden. Deshalb hier ein paar Regeln die
von allen Iranern angewendet werden.
Regel Nr. 1 – Vorfahrt
Die Vorfahrtregelung wurde uns schon am
dritten Tag im Iran von dem äußerst netten Mitarbeiter der
Touristeninformation in Tabriz am Beispiel des Kreisverkehrs erklärt.
Gaby – äußerst verunsichert wie wir uns im Kreisverkehr zu
verhalten haben – fragt ihn:
„Wer hat Vorfahrt, wenn ich in den
Kreisverkehr einfahren möchte und im Kreisverkehr kommen andere
Autos?“ Antwort: „Natürlich Du.“ Weitere Frage von Gaby: „Und
wenn ich im Kreisverkehr bin. Wer hat dann Vorfahrt?“ Antwort:
„Natürlich auch Du“.
Vorfahrt hat also grundsätzlich
derjenige, der entschlossener in die Kreuzung einfährt. Einzige
Ausnahme sind die Ampeln, die weitgehend respektiert werden.
Regel Nr. 2 – Überholen
An unserem ersten Tag im Iran befahren
wir eine gut ausgebaute Passstraße mit Serpentinen. Auf der Straße
sind auch viele langsame LKW's unterwegs, hinter denen es zu Stau's
kommt. Leider herrscht auch starker Gegenverkehr, so dass es manchmal
schwierig ist an den LKW's vorbei zu kommen.
Doch die Iraner haben eine Lösung für
das Problem. Wenn man links nicht vorbei kommt, dann eben rechts in
einer Serpentine, die nach rechts geht. Der Iraner fährt dann mit
Vollgas über den unbefestigten Randstreifen um dann am Ende der
Kurve mit einem wild springenden Auto sich wieder auf die Straße zu
drängeln.
Auf den „normalen“ Überlandstraßen
wird in der Regel links überholt – auch bei Gegenverkehr. Der muss
dann eben bremsen. Dagegen wird auf mehrspurigen Straßen überholt
wo Platz ist, und Platz ist eigentlich überall.
Regel Nr. 3 – Beachtung von Straßenmarkierungen und Verkehrsschildern
Straßenmarkierungen und
Verkehrsschilder haben im Iran eher einen dekorativen Charakter.
Innerorts werden Straßenmarkierungen
nicht eingehalten, weil das einer Platzverschwendung gleich käme.
Ist eine Straße zum Beispiel zweispurig markiert, kann man sich bei
richtiger Ausnutzung des vorhanden Verkehrsraumes auch zu viert
nebeneinander an die Ampel stellen. Dass hinter der Kreuzung auf der
rechten Spur parkende Autos stehen, wird ebenso ignoriert, wie die
Tatsache, dass garantiert eines oder mehrere der Fahrzeuge, die sich
rechts an der Ampel aufgestellt haben nach links abbiegen wollen.
Das Ergebnis ist absehbar. Es kommt
sowohl auf, als auch nach der Kreuzung zu einer unvorstellbaren
Verknotung der Fahrzeuge. Da jeder weiß, dass es eng wird, gibt er
ordentlich Gas um ja als Erster im Knäuel zu stecken.
Auch außerorts gibt es kaum jemanden,
der die Fahrspur zuverlässig einhält. Es ist ja auch ziemlich
schwierig mit den Knien akkurat zu lenken, während man mit der einen
Hand telefoniert, mit der anderen Hand eine Zigarette hält und
gleichzeitig mit dem Beifahrer diskutiert.
Überhol-, Halteverbote, durchgezogene
Linien, Geschwindigkeitsbegrenzungen ? Geschenkt. Unter den
aufmerksamen Augen der Polizei wird verbotener weise überholt,
geparkt und Gas gegeben.
Doch auch hier keine Regel ohne
Ausnahme. Auf den mehrspurigen Überlandstraßen gibt es viele mobile
und stationäre Radarkontrollen. Diese sind jedoch netter weise immer
in den Abschnitten platziert, in denen die zulässige Geschwindigkeit
zwischen 100 und 120 Km/h liegt und nicht in Ortsdurchfahrten,
Kreuzungsbereichen oder anderen Abschnitten in denen man langsam
fahren soll.
Regel Nr. 4 – Ausnutzung der
Transportkapazitäten
Wann ist ein Auto oder Moped
vollbesetzt.? Wenn die Anzahl der Personen gleich der Anzahl der
Sitze ist, oder wenn niemand mehr hinein oder drauf gesetzt werden
kann. Im Iran ist die Antwort klar. Ein Auto ist voll, wenn wirklich
niemand mehr hineingeht, was üblicherweise bei 7 oder 8 Personen -
in einem normalen PKW - der Fall ist.
Ein Moped ist vollbesetzt, wenn die
gesamte Familie (Vater, Mutter und 1-2 Kinder) auf dem Sattel sitzen.
Wenn man schon so gedrängt sitzen muss, ist auch klar, dass man sich
dann im PKW nicht mehr anschnallen oder auf dem Moped einen Helm
aufsetzen kann.
Wenn man sich mit den obigen Regeln
vertraut gemacht hat, ist das Fahren im Iran eigentlich ganz
angenehm. Nicht zuletzt auch wegen der – überwiegend – sehr
guten Straßen, die ein gutes Vorankommen gewährleisten.
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